Es kommt ein Kind von seinem geheimen Platz im schattigen Buchenwald zurück und fragt ganz aufgeregt: „Stimmt es, dass man aus Bäumen Papier macht?“ Nach der kurzen Antwort „Ja!“ überschlägt sich seine Stimme fast vor Begeisterung. „Dann will ich alles darüber lernen!“ Sein Freund, der mit ihm aus dem Wald gekommen ist, bekommt die Unterhaltung mit und reagiert darauf: „Und ich will wissen, wie man das gebrauchte Papier wieder der Natur zurückgibt.“

Solche Inspirationen können eine kurze Rückverbindung mit der Natur bewirken. Doch das ist nicht nur bei Kindern so. Auch Erwachsene finden in dem natürlich belassenen Umfeld zu ihrer eigenen Kreativität und Freude zurück. Warum ist das so?
Die Natur befindet sich in Harmonie. Auch wenn es dort für unsere Augen „wild“ aussieht, hat jede Pflanze, jeder Baum, jedes Tier in der Natur seinen Platz. Wer sich in dieses Feld ohne Erwartungen, ohne Absicht begibt, der spürt diese Harmonie sehr schnell, kommt zur Ruhe und die Gedanken können sich entspannt ordnen.

Was hat das mit Lernen zu tun?
Vielleicht erst auf den zweiten Blick, denn jeder Mensch bringt seine ganze Neugierde, seinen internen Fragenkatalog mit an den Platz am Bach, am See, am Baum … In der Ruhe können sich Gedanken ordnen und dann kommen Ideen oder sogar Antworten auf offene Fragen scheinbar aus dem Nichts ins Bewusstsein.
Nach dem Motto „Hilf ihnen es selbst zu machen“, werden in der Wildnispädagogik die uralten Methoden der Mentoren ganz gezielt eingesetzt, um Menschen dabei zu unterstützen, Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Von solchen Mentoren wird ein Menti keine direkte Antwort bekommen, sondern nur einen Hinweis für den nächsten Schritt, um die Antwort dann selber zu finden. Im Fall des Jungen kann das der Hinweis auf eine Webseite sein, auf der er weitere Informationen findet, wie aus Holz Papier gewonnen wird. Oder der Junge bekäme einen Tipp zu einem Buch, das sich mit dem Thema beschäftigt. So wird das Interesse unterstützt und das Lesen ganz nebenbei sicherer, weil der Junge es braucht, wenn er sich mit „Vollgas“ durch die Medien klickt.
Mentor kann jeder werden, der statt Antworten gezielt Fragen stellt die neugierig machen, die inspirieren weiter zu forschen. Im Leben kann uns überall ein Menti begegnen. Es ist ein Mensch der Fragen stellt. Das kann ein Schüler, ein Kollege, der Partner, ein Lehrer oder jemand anderes sein.
Wenn sich jemand für ein Thema so sehr interessiert, dass er buchstäblich dafür „brennt“, dann ist jeder Hinweis wie ein Holzscheit, der ins Feuer gelegt wird.

Was sind Killeraussagen?
Killeraussagen oder -fragen wie „Das verstehst du eh nicht!“ oder „Dafür bist du noch zu klein!“ oder „Wo sollen wir denn das Geld dafür hernehmen?“ sind wie Wasser auf dem lodernden Lagerfeuer. Und wer einmal gesehen hat, wie schnell eine tanzende Flamme mit einem Eimer Wasser gelöscht werden kann, der hat den Schock in sich gespeichert. Solche verbalen Schocks während einer inspirierenden Lernphase wirken wie eine Vollbremsung auf der Autobahn: Die Inspiration wird mit ein paar wenigen Worten zerstört.

Wie geht ein Mentor vor?
Ein erfahrener Mentor vermeidet bewertende Aussagen. Er führt seinen Menti an dessen Wissensgrenze, weil dort das Lernen geschieht. Die Hirnforschung hat inzwischen bewiesen, dass alles, was mit Emotionen verknüpft wird, also unter Adrenalin-Ausstoß abgespeichert worden ist, auch langfristig im Gedächtnis bleibt. Das kann positiv oder negativ ausgerichtet sein. Wenn die Dinge freiwillig und in Freude geschehen, dann wird gerne wieder darauf zugegriffen.
Ein Mentor interessiert sich wahrhaftig für die Fortschritte seines Menti – ein Lehrer für seinen Schüler, ein Teamleiter für seinen Kollegen – und hört sich von Zeit zu Zeit die Ergebnisse ohne Wertung an. Werden die Fragen, die dabei entstehen, vom Mentor so formuliert, dass sie die Schwachstellen aufzeigen, den Erfolg aber nicht in Frage stellen, dann nähren sie das Feuer der Begeisterung beim Menti.
Da wir nicht aus einer Mentorenkultur kommen, sondern aus einer, in der man sich gerne durch das eigene Wissen erhebt, braucht es viel Selbstkritik, um ein erfolgreicher Mentor zu werden. Doch es ist uns fremd, „nur“ Fragen zu stellen. Unser antrainiertes Verständnis sieht so aus, dass unser Schüler / Kollege / Partner, ja auch die eigenen Kinder sehen müssen, was wir wissen. Wir meinen uns messen zu müssen, um anerkannt zu sein. Genau das Gegenteil bringt uns zur Co-Kreation. Ein Mentor weiß was für ein großes Potenzial darin liegt, das eigene Wissen zu teilen, so wie es bei indigenen Kulturen bis heute verbreitet ist. In einem Team, einer Gemeinschaft ist es daher hilfreich sich gegenseitig daran zu erinnern, solange bis es fest verankert ist und zur Automatik geworden.

„Gut Ding will Weile habe“
Hinter dem bekannten Sprichwort steckt kurz gesagt „Geduld“. Selbst wenn der junge Forscher im Eingangsbeispiel am Nachmittag schon wieder vergessen hat, dass er wissen wollte wie Holz zu Papier wird, ist das kein Versagen. Wenn es ihn wirklich brennend interessiert, dann reicht ein Fernsehbeitrag, eine Nachricht auf einem der sozialen Kanäle oder ein Bild in einer Zeitschrift vom Abholzen der Urwälder für die Papiergewinnung, um das Interesse in dem Jungen wieder zu wecken.
In der Natur nützt es auch nichts an einer Pflanze zu ziehen, damit sie schneller wächst. Alles braucht seine Entwicklungszeit. Doch wer für ein gutes Klima sorgt und den Boden entsprechend aufbereitet und pflegt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine prächtige Ernte haben. Übertragen auf eine Familie, eine Schule, ein Unternehmen ist es das „Betriebsklima“ und die Wertschätzung. Wenn diese Basis für alle Menschen passt, dann macht es Freude dort zu wirken. In solch einem Umfeld will jeder sich weiterentwickeln.
Wie geschieht das natürliche Lernen im Kontakt mit der Natur?
Durch Fragen, die Neugierde wecken, wird die Aufmerksamkeit auf die Zusammenhänge in den natürlichen Kreisläufen gelenkt. Beispielsweise durch Fragen wie bei der Papierherstellung die Umwelt geschont wird oder noch größer gedacht: Ob es Alternativen gibt, die keine Schäden zurück lassen.
Worte des Dankes
Das können beispielsweise Worte der Dankbarkeit sein für die Bäume und Sträucher, die im nächsten Moment gefällt werden und ihnen damit das Leben genommen wird. Dies kann Zusammenhänge aufzeigen, wofür das Holz alles verwendet werden kann. Das öffnet die Sinne für die großen Kreisläufe und erinnert an einen respektvollen Umgang mit unseren Ressourcen.

Wie wird die Neugier geweckt?
Ein Naturmentor beispielsweise pflückt ganz nebenbei am Wegesrand einige Brennnesselblätter oder andere Pflanzen und isst sie. Das weckt sehr schnell die Neugier der Menschen um ihn herum. Auf Fragen kann er dann über essbare Pflanzen sprechen, über die Heilkräuter und auf Giftpflanzen aufmerksam machen. Solche Hinweise erinnern daran, dass die Natur uns alles liefert, was wir als Menschen zum Leben brauchen. Es schafft eine Achtung für die Lebewesen um uns herum und inspiriert, tiefer in den Naturraum einzutauchen.
Ein Mentor sollte viele eigene Erfahrungen gemacht haben, um hinführende Fragen stellen zu können. Wenn das nicht der Fall ist, dann kann er dies wahrhaftig äußern und sich mit seinem Menti auf eine Lernreise begeben. Beide befinden sich somit auf Augenhöhe und entdecken gemeinsam die Welt. Das Alter spielt dabei keine Rolle, im Gegenteil: Wenn beispielsweise ein junger Mitarbeiter erfährt, dass er mehr weiß als ein älterer Kollege, spornt es an und stärkt sein Selbstbewusstsein. Ein weiser Kollege freut sich darüber, wenn er von seinem Menti „überholt“ wird. Für ihn wird dann sichtbar, wie wertvoll seine Unterstützung war und er kann sich allmählich zurückziehen. Sein Wissen hat sich auf natürliche Weise verbreitet.

Natürlich Lernen in Stichworten:
•    Neugierde wecken, Inspiration
•    hinführende Fragen stellen
•    Vorbild sein, respektvolles Verhalten
•    Dankbare Haltung für alles
•    Begeisterung ist der Schlüssel – brennendes Feuer unbedingt füttern
•    Kommunikation auf Augenhöhe – bewertungsfreie Ebene
•    Die Intelligenz des Kreises nutzen – alle Meinungen anhören
•    Potenziale jedes Einzelnen fördern und den passenden Wirkungsbereich für ihn finden.
•    Erfolge augenblicklich feiern

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